Bilgenentöler: Schwimmende Entsorgungsboote für eine saubere Schifffahrt

Dass Binnenschiffe im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern die Nase vorne haben, ist längst kein Geheimnis mehr. Um ihr volles Potenzial für die Umwelt zu nutzen, kümmern sich Bilgenentöler darum, dass Betriebsstoffe wie Altöl nicht in die Flüsse gelangen. Wie dabei spezialisierte Boote für die Sauberkeit einer ganzen Branche sorgen, erfahren Sie wie hier.

Bilgenentöler: Schwimmende Entsorgungsboote für eine saubere Schifffahrt
Bilgenentöler: Schwimmende Entsorgungsboote für eine saubere Schifffahrt

Was nischig klingt, ist eine der Top-Voraussetzung für den sauberen Betrieb von Schiffen auf den Wasserstraßen der Welt. Die Rede ist von der Bilgenentölung. Dabei handelt es sich spezialisierte Entsorgungsschiffe, der sicherstellt, dass Altöle und Schmiermittel, die beim Betrieb von Binnenschiffen freigesetzt werden, nicht in die Flüsse gelangen. Diese Art der Verschmutzung würde nicht nur die positive Umweltbilanz von Binnenschiffen schwächen, sondern hätte auch ernsthafte Auswirkungen auf die Gewässerqualität und dort lebende Tiere und Mikroorganismen. Während genau das über viele Jahrzehnte hinweg in Kauf genommen wurde, gibt es mittlerweile Auflagen, die zum Schutz der Gewässer und seiner Bewohner eingeführt worden sind. Eine der Hauptaufgaben dafür, die Entsorgung des Bilgenöls, übernehmen bis heute die Bilgenentöler.

 

Aufräumen auf den Flüssen

Im Zuge der voranschreitenden Industrialisierung wurden lange Zeit Abfälle aus der Prozess-, Fertigungs- und Chemieindustrie in fließende Gewässer eingeleitet. Mitverursacher für die starke Verschmutzung von Flüssen wie dem Rhein war aber auch die Schifffahrt. Angesichts der hohen Verunreinigung schlug man ab den 1950er Jahren schließlich Alarm. Zunächst von Unternehmern angeboten, dann unterstützt durch die Bundesländer und den Bund kümmerte man sich nun um die Entsorgung von festen und flüssigen Schiffsabfällen – die ersten Bilgenentölungsboote betraten die Wasserstraßen. Eine länderübergreife Reglung wurde schließlich 1996 mit der Unterzeichnung des CDNI getroffen, das Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt. 2009 in Kraft getreten, ist das CDNI seitdem die Richtlinie für die sachgerechte Entsorgung von Schiffsabfällen wie Bilgenöl durch Bilgenentöler.

 

Was ist Bilgenöl und wo kommt es her?

Bilgenöl hat seinen Namen von dem Teil des Schiffes, an dem es anfällt: dem untersten Schiffsraum, der sogenannten „Bilge“. Hier sammeln sich Leck- und Kondenswasser sowie Motoröle und Schmierstoffe, die durch den Schiffsantrieb anfallen. Dieses Wasser-Öl-Abfallgemisch wird auch als Bilgenwasser oder Bilgenöl bezeichnet. Es besteht aus rund 90 bis 95 Prozent Wasser und fünf bis zehn Prozent Öl. Weiteres Abfallprodukt an Bord der Schiffe ist konzentriertes Altöl, das in einem gesonderten Tank gesammelt wird.

 

„Bibos“, die schwimmenden Entsorger

In Deutschland wird die Umsetzung der CDNI-Auflagen durch den Bilgenentwässerungsverband (BEV) sichergestellt. Für die Durchführung ist etwa die Rhenus-Tochter die Bilgenentölungsgesellschaft zuständig, die mit ihren sieben Bilgenentölungsboote, kurz „Bibos“, den gesamten Rhein samt Nebenflüssen, das nordwestdeutsche Kanalsystem und das sogenannte Kanal-Viereck bis Bremen abdeckt. Großer Vorteil der Bilgenentöler: Sie sind flexibel und fahren die Binnenschiffe direkt an, so dass diese weder warten noch eine feste Station anfahren müssen und damit weder Zeit noch Geld verlieren. Jedes der Boote kann täglich das Wasser-Ölgemisch von bis zu acht Binnenschiffen filtern und die Bilgen- und Altölrestbestände abpumpen.

Besonderer Teil der Flotte der Bilgenentölungsgesellschaft ist ein neu gebautes Spezialschiff, das als reines Sammelfahrzeug betrieben wird. Heißt: Das Wasser-Ölgemisch wird zwar an Bord getrennt und aufbereitet, aber nach der Vorbehandlung an eine landgestützte Wasseraufbereitungsanlage abgegeben. Ein weiteres Spezialschiff, aktiv im Schifffahrtskreuz Minden bis nach Bremen, ist in der Lage, Binnenschiffe in einem vom Tidenhub gezeichneten Gewässer zu entsorgen.

So läuft die Entölung ab

Die Bilgenentöler verfügen über jeweils eine oder mehrere Tankzellen mit einem durchschnittlichen Fassungsvermögen von bis zu 55 Kubikmetern Flüssigkeit. Wie mit einem überdimensionierten leistungsstarken Staubsauger wird das Ölgemisch per Unterdruckverfahren hineingesaugt. Da die Flüssigkeit bei einem unwahrscheinlichen Ausfall der Saugpumpe zurück in den Tank fließt, vermeidet dieses sichere Verfahren, dass kein Öl ins Oberflächengewässer gelangen kann. Noch an Bord der Spezialboote erfolgt die Reinigung des abgesaugten Wasser-Ölgemischs. Dafür durchläuft es verschiedene Schritte und Kammern innerhalb des Bootes, um durch Filtration und Separation erst grob gereinigt und dann in Wasser und Altöl getrennt zu werden. Weil das Wasser nach der Separation meist noch einen kleinen Ölgehalt aufweist, erfolgt schließlich die die Reinigung des verbliebenen Wassers in einer Ultrafiltrationsanlage. Das vollständig gefilterte Wasser ist so sauber, dass es von den Bilgenentölern anschließend ins Gewässer zurückgeleitet werden. Das Altöl verbleibt an Bord der Bibos und wird im nächsten Schritt fachgerecht in einer speziellen Altöl-Recyclinganlagen entsorgt.

 

Alle Jahre wieder

Wie häufig und wie viel Öl letztlich abgepumpt und aufgefangen wird, ist sehr individuell: „Nichts hat bei der Bilgenentölung einen wiederkehrenden Rhythmus, alles ist einmalig. Dies hat damit zu tun, dass es in der Regel keinen seriellen Schiffsbau gibt, sondern jedes Schiff ein Prototyp ist“, erläutert Wolf-Simon Greling, Geschäftsführer der Bilgenentölungsgesellschaft. In der Regel wird ein Binnenschiff einmal im Jahr abgepumpt. Mit 1.000 bis 3.500 Litern Altöl pro Binnenschiff ergeben sich jährlich Jahr mehrere Millionen Liter Bilgenwasser und Altöl, die die Tankschiffe der Gesellschaft abpumpen.

Die Zahlung der Entsorgung durch Bilgenentöler ist verpflichtend für alle Schiffe, die sich im räumlichen Geltungsbereich des CDNI bewegen und steuerfreies Gasöl bunkern. Sie haben Zugang zu Annahmestellen entlang des gesamten Vertragsgebiets, an denen die Schiffsbetriebsabfälle frei abgegeben werden können.

Wie hoch die Gebühr für den Einsatz der Bilgenentöler letztlich ist, richtet sich nicht nach der abgepumpten, sondern der getankten Menge. In einem sogenannten ECO-Konto wird beim Tankvorgang die Tankmenge vermerkt, woraus sich schließlich die Kosten der Entsorgung für den Schiffsbetreiber ergeben. „Pro Liter Betankung ist eine bestimmte Entsorgungsgebühr zu entrichten. Sie ist das völkerrechtlich geregelte Finanzierungssystem, um alle Schiffsbetriebsabfälle fachgerecht entsorgen zu können“, erläutert Greling.

Innovative Schiffstechnik vs. Bilgenentölung?

Doch wie sieht die längerfristige Zukunft der Bilgenentöler aus? Immer mehr Schiffe werden nachhaltig gebaut. Antriebsarten verändern sich. Wird es trotzdem weiterhin Bilgenöl geben?

„Es ist zwar richtig, dass sich die Antriebstechnik ändert. Derzeit ist allerdings nicht erkennbar, wann und in welchem Anteil dies erfolgt. Binnenschiffe sind auf einen langfristigen Einsatz angelegt und es gibt längere Übergangsregelungen für Bestandsmotoren. Aktuell sind in den meisten Binnenschiffen noch ganz klassische Dieselmotoren verbaut“, konstatiert Greling. Plus: Selbst bei einer Umstellung auf Wasserstoff werden vermutlich durch die Schmierung weiterhin Öle anfallen.

Fakt ist aber auch: Tendenziell nimmt die Menge an Wasser-Ölgemischen an Bord ab, weil die Motoren besser konstruiert und die Schiffskörper dichter als früher sind. Das ergibt zwar weniger, aber deutlich konzentriertere Abfallreste und damit steigende Anforderungen.

Wie für die gesamte Branche ist also auch für die Bilgenentölung weiterhin aktives Gestalten nötig, um das Potenzial der Schifffahrt voll auszuschöpfen. Dennoch sind die Bilgenentöler als „schwimmende Entsorger“ nach wie vor ein nicht wegzudenkendes Element, das die Sauberkeit einer ganzen Branche gewährleistet.

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